Man sitzt hinter dem Steuer des eigenen Fahrzeugs und verschiedene Gedanken schießen einem durch den Kopf: Ist jemand verletzt? Wie groß ist der Schaden? Die ersten Momente nach dem Unfall sind geprägt von Aufregung und Sorge. Sobald sich die erste Panik gelegt hat und es allen Beteiligten gut geht, beginnt jedoch der große Ärger. Wenn man unverschuldet in eine solche Situation gerät, muss man früher oder später mit der gegnerischen Versicherung umgehen. Denn schließlich soll der entstandene Schaden reguliert werden. Doch die Standardantwort vieler Versicherungen lautet meistens: »Wir schicken einen Gutachter.« Das mag im ersten Moment wie eine tolle Idee klingen, kann sich aber am Ende als Stolperstein für den Geschädigten erweisen. Natürlich haben alle Sachverständigen und Gutachter die Verpflichtung zur Unabhängigkeit. Aber es liegt auf der Hand, dass der Gutachter einer Versicherung immer zugunsten dieser entscheiden wird. Immerhin sind Versicherungen nicht dafür bekannt, gerne Schäden zu regulieren oder hohe Summen auszuzahlen. Deshalb ist es umso wichtiger, von Anfang an richtig zu handeln und seine finanziellen Interessen zu wahren.
Muss der Gutachter der Versicherung akzeptiert werden?
Die Antwort auf diese Frage richtet sich nach dem jeweiligen Schaden. Bei einem unverschuldeten Autounfall, sprich einem Haftpflichtschaden, muss der Gutachter der gegnerischen Versicherung nicht akzeptiert werden. Das Gleiche gilt auch, sofern die Bagatellschadengrenze von 750 EUR überschritten ist. In diesen Fällen dürfen die Geschädigten einen eigenen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen. Die daraus entstehenden Kosten müssen von der gegnerischen Versicherung übernommen werden. Liegt jedoch ein Kaskoschaden vor, kann die Versicherung ihr Weisungsrecht ausüben, sofern es zu Unstimmigkeiten mit dem Geschädigten kommt. Im Rahmen des Sachverständigenverfahrens wird dann ein Experte geschickt, der den Schaden begutachten soll. Dieser muss dann auch akzeptiert werden. Und auch in diesem Fall werden die Kosten für das beauftragte Schadensgutachten von der Versicherung übernommen.
Oberhalb der Bagatellschadengrenze: Eigenen Sachverständigen beauftragen – Generische Versicherung Experte
Sofern ein Haftpflichtschaden oberhalb der Bagatellschadengrenze vorliegt, müssen die Unfallgeschädigten den Gutachter der gegnerischen Versicherung nicht akzeptieren. Stattdessen kann ein »eigener« Sachverständiger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt werden. Die daraus entstehenden Kosten müssen stets die Versicherungen zahlen. Der eigens beauftragte Gutachter kann ein enormer Pluspunkt im unparteiischen Schadensmanagement sein. So kommen dann nämlich alle Schadenspositionen auf die Rechnung, die vonseiten der Versicherung gezahlt werden müssen. Der Gutachter der gegnerischen Versicherung hingegen wird stets versuchen, den entstandenen Schaden kleinzurechnen. Und dabei kommen verschiedene Tricks zum Einsatz, von denen der Unfallgeschädigte nicht einmal etwas mitbekommt.
Die Tricks der Versicherungsgutachter
Mit dem Eingehen einer Schadensmeldung bei einer Versicherung wird schon versucht, diesen möglichst kleinzuhalten. Versicherer sind nicht sonderlich daran interessiert, möglichst viel Geld für die Begleichung von Schäden zu investieren. Dementsprechend sind auch die Gutachter einer gegnerischen Versicherung nie auf der Seite der Unfallgeschädigten. So wird den Betroffenen nicht selten der Vorschlag einer eigenen Fachwerkstatt unterbreitet. In dieser könnte der entstandene Schaden reguliert werden. Dabei steht aber nicht die Qualität der Reparatur im Vordergrund, sondern das mögliche Einsparpotenzial für die Versicherung. Grundsätzlich wird der Versicherungsgutachter auch die Schadenshöhe immer deutlich niedriger ansetzen, als es in Wahrheit der Fall ist. Und natürlich kommt nicht selten von den Versicherungsgutachtern auch die Standardantwort, dass ein Rechtsbeistand o. Ä. gar nicht nötig sei. Aber auch in diesem Fall ist das Recht auf der Seite des Unfallgeschädigten. Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall gerät, hat Anspruch auf einen Rechtsanwalt – auf Kosten der Versicherung des Unfallverursachers. Oftmals lassen sich auch noch weitere Kürzungsversuche in den Gutachten finden, die jedoch nur von geschulten Augen als solche erkannt werden.
Versicherungsgutachten anfechten: Geht das?
Nun kann es aber auch passieren, dass der Versicherungsgutachter akzeptiert werden muss. Nach der Begutachtung wird dieser sein Gutachten erstellen, auf dessen Grundlage die Versicherung die Schadensregulierung vornimmt. Was passiert aber jetzt, wenn das Gutachten schlichtweg falsch ist? Wenn nicht der gesamte Schaden beispielsweise dokumentiert wurde? In diesem Fall kann das Schadensgutachten, wie auch jedes andere Gutachten, angefochten werden. Das setzt allerdings voraus, dass fachliche oder formelle Fehler enthalten sind. Diese können aber nicht nur die Preise für die möglichen Ersatzteile betreffen, sondern sich auch auf die Stundenverrechnungssätze der Werkstatt beziehen. Die Anfechtung des Schadensgutachtens muss aber immer konkret begründet werden. Sollten Zweifel an dem Gutachten bestehen, kann ein unabhängiges Gegengutachten in Auftrag oder auch ein Sachverständigenverfahren eingeleitet werden.
Was nun?
Letzteres kommt immer bei einer strittigen Schadenssumme zum Einsatz. Auf diese Weise soll ein Gerichtsverfahren vermieden werden. Gemäß dem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2017 haben Unfallgeschädigte die freie Wahl bei der Schadensbehebung. Sie sind nicht verpflichtet, sich auf den Gutachter der Versicherung einzulassen, sofern sie den Unfall nicht selbst verursacht haben. Durch einen Kooperationsvertrag befindet sich dieser Gutachter in einem Interessenkonflikt zuungunsten der Betroffenen. Aus diesen Gründen sollte stets darüber nachgedacht werden, ein unabhängiges Kfz-Gutachterbüro zu beauftragen. Unabhängige Gutachter gehen keine Verträge mit Versicherungen ein und schützen somit die finanziellen Ansprüche der Unfallgeschädigten von Anfang an. Zudem können sie den Betroffenen gegen mögliche Kürzungsversuche zur Seite stehen – alles auf Kosten der gegnerischen Haftpflichtversicherung, sofern sie nicht für den Unfall verantwortlich sind.