
Der merkantile Minderwert – ein Thema, mit dem sich Autofahrer erst nach einem unverschuldeten Unfall auseinandersetzen müssen. Und dennoch ist er so wichtig, primär in steuerlicher Hinsicht…
Was verbirgt sich hinter dem merkantilen Minderwert?
Der merkantile Minderwert bedeutet in der Regel nichts anderes, als dass ein Unfallfahrzeug bei einem Wiederverkauf nur noch einen geringeren Verkaufspreis erzielen kann – trotz vollständiger und fachgerechter Reparatur. Es wird immer dann von einem merkantilen Minderwert oder einer Wertminderung ausgegangen, sofern das Fahrzeug nicht älter als fünf Jahre ist und nicht mehr als 100.000 Kilometer besitzt. Unfallopfer können den merkantilen Minderwert neben den berechtigten Schadenersatzpositionen wie Nutzungsausfallentschädigung gegenüber der Versicherung des Unfallgegners geltend machen.
Allerdings war es bisher immer der Fall, dass die meisten Instanzgerichte urteilten, die Umsatzsteuer aus der ermittelten merkantilen Wertminderung bei vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten herauszurechnen. Es wurde damit argumentiert, dass sich der Geschädigte durch den gedachten Weiterverkauf des beschädigten Fahrzeugs nicht noch bereichern dürfte. Dementsprechend sei dem Geschädigten im Hinblick auf den Schaden nur derjenige Betrag zu erstatten, der verblieben wäre, sofern die Wertminderung durch Veräußerung des reparierten Fahrzeugs erzielt wurde. Da die Umsatzsteuer beim vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten aber ein durchlaufender Posten ist, würde durch den Verkauf eine Bereicherung durch diesen Wert erzielt werden.
Der BGH und die steuerliche Würdigung
Im Juli 2024 veröffentlichte der BGH gleich vier neue Urteile, die sich mit der steuerlichen Würdigung der merkantilen Wertminderung beschäftigen. Demnach ist der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass die merkantile Wertminderung nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Allerdings sei die ermittelte Wertminderung um einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer zu reduzieren – sofern die Wertminderung auf Grundlage des Brutto-Verkaufspreises ermittelt wurde. All dies gilt nun aber nicht nur für Vorsteuerabzugsberechtigte, sondern auch für private Geschädigte.
Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Instanzgerichte entschieden, dass die Umsatzsteuer der merkantilen Wertminderung bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten herauszurechnen sei, gab es vermehrt Unklarheiten bei vielen Geschädigten, die wiederum den beauftragten Sachverständigen von den jeweiligen Kürzungen in Kenntnis setzten. Die neuen Urteile bringen aber nicht nur Licht ins Dunkel …
Der hypothetische Verkauf eines Fahrzeugs bildet stets die Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts. Allerdings muss in diesem Fall vom Netto- und nicht vom Brutto-Preis ausgegangen werden. Wenn jetzt aber der merkantile Minderwert auf Basis des Bruttoverkaufspreises geschätzt wurde, so muss dieser entsprechend nach unten korrigiert werden. Dafür wird ein Betrag abgezogen, der dem Umsatzsteueranteil entspricht – allerdings nicht die Umsatzsteuer selbst. Der Grund dafür ist, dass die Wertminderung ihrer Natur nach kein steuerbarer Betrag gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist. Daher ist, wenn die Wertminderung auf dem Bruttoverkaufswert ermittelt wurde, dieser Betrag um die Höhe der Umsatzsteuer (aktuell 19 %) zu reduzieren.
Aufgrund dieser Aussage des BGH wurden zugleich auch vier Urteile von Berufungsinstanzen aufgehoben und es wurde zugleich auf neue Verhandlungen verwiesen. Denn in allen vier Fällen kam es vonseiten der beklagten Haftpflichtversicherung zu Kürzungen der ermittelten merkantilen Wertminderung. Und in allen Fällen wurde ein Betrag in Höhe von 19 Prozent gekürzt. In ihren Klagen verlangten die vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten jedoch die Erstattung der gekürzten Differenz.
Das ist jetzt zu tun!
Aufgrund der Urteile des BGH besitzt die merkantile Wertminderung nun eine steuerliche Würdigung. Demnach ist es auch für die Ermittlung der merkantilen Wertminderung für den Sachverständigen nicht mehr nötig zu wissen, ob der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht. Entscheidend sind demnach nur noch die Werte zur Ermittlung der Wertminderung. Sofern diese auf dem Netto-Verkaufspreis beruhen, muss kein 19%iger Abzug der Wertminderung mehr in Kauf genommen werden.
Zusätzlich sollte auch die Formulierung: »MwSt.-neutral« im Gutachten auftauchen, um unmissverständlich zu verdeutlichen, dass bei der Ermittlung der Wertminderung vonseiten der Sachverständigen der Netto-Verkaufspreis als Grundlage genutzt wurde.