Unfallflucht: Kein Kavaliersdelikt im Straßenverkehr

Sep 16, 2024

Eine Unfallflucht muss nicht immer zwingend mit Vorsatz erfolgen. Denn die kleinen Unfälle auf dem Parkplatz, bei denen ein paar Kratzer am anderen Fahrzeug zurückbleiben, werden nicht immer bemerkt. Und dennoch ist die Unfallflucht im Straßenverkehr kein Kavaliersdelikt und kann mit empfindlichen Strafen verbunden sein. Doch auch der weitverbreitete Irrglaube, dass der Zettel hinter der Windschutzscheibe ausreicht, kann für die Betroffenen oft ein teures Nachspiel haben.

Wer von der Unfallstelle flieht …

… begeht eine Straftat – so ist es im deutschen Recht verankert. Dabei ist jedoch nicht nur die große Kollision mit anderen Fahrzeugen gemeint. Auch der Parkrempler oder abgefahrene Seitenspiegel können als Unfallflucht mit Sachschaden ausgelegt werden. Vor allem die vermeintliche stille Unfallflucht nach einem Vorfall auf dem Parkplatz kann für die meisten Autofahrer zu einem großen Problem werden.

Sofern ein Schaden an einem anderen Fahrzeug angerichtet wurde, muss eine angemessene Zeit auf den Fahrer des beschädigten Fahrzeuges gewartet werden. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie lang eine »angemessene Zeit« ist? Leider lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten, da es auch vonseiten des Gesetzgebers in diesem Fall keine konkreten Anhaltspunkte gibt. Um auf Nummer sicherzugehen, wird jedoch eine Zeitspanne von 10 bis 20 Minuten empfohlen. Taucht der andere Fahrer innerhalb dieser Zeitspanne nicht auf, sollte sich der Unfallverursacher bei der Polizei melden. Und noch einmal: Ein Zettel hinter der Windschutzscheibe ist in diesen Fällen nicht ausreichend. Denn wer nicht auf den Geschädigten wartet und auch nicht die Polizei informiert, begeht Unfallflucht bzw. unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Und dies gilt als Straftat nach § 142 Strafgesetzbuch (StGB).

Unfallflucht auch bei Fußgängern und Radfahrern möglich

Unfallflucht kann in der Regel von jedem begangen werden. Dementsprechend müssen sich auch Fußgänger und Radfahrer an die herrschenden Gesetze halten. Wer an einem Unfall beteiligt ist, egal durch welche Art der Fortbewegung, muss am Unfallort bleiben – im Idealfall, bis die Polizei eintrifft. So müssen auch Radfahrer oder Fußgänger, die einen Unfall verursacht haben, stets auf den anderen Verkehrsteilnehmer warten oder die Polizei rufen.

Diese Strafen drohen bei Unfallflucht

Die Strafe für die begangene Straftat richtet sich in der Regel immer nach der Schadenshöhe. So kann eine Unfallflucht mit einer Geldstrafe, mindestens zwei Punkten in Flensburg, einem Fahrverbot oder auch der Entziehung der Fahrerlaubnis von bis zu sechs Monaten geahndet werden. Unter diesen Bedingungen ist es grundsätzlich immer von Vorteil, genau darüber nachzudenken, ob man sich unerlaubt vom Unfallort entfernt. Aber nicht nur die Strafen sollten in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Denn auch Ärger mit der eigenen Versicherung kann drohen, sofern eine Unfallflucht begangen wird.

Bei einem verursachten Unfall zahlt die Kfz-Versicherung zunächst zwar den entstandenen Schaden am anderen Fahrzeug. Der Unfallflüchtige muss für seinen entstandenen Schaden allerdings selbst aufkommen, da die Kaskoversicherung in diesem Fall die Leistungen gänzlich versagt. Dies ist übrigens auch dann möglich, sofern das Verfahren wegen geringer Schuld und gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wird.

Sollte der Unfallverursacher zudem unter Einfluss von Alkohol für den Schaden verantwortlich sein, kann sich die Kfz-Haftpflichtversicherung die gezahlten Leistungen bis zu einer Höhe von bis 10.000 EUR zurückholen.

Wenn vermeintliche Unfallflucht keine Unfallflucht ist

Allerdings ist das Entfernen vom Unfallort nicht immer mit einer Unfallflucht gleichzusetzen. So gibt es beispielsweise verschiedene Situationen, in denen sich der Unfallverursacher vom Unfallort entfernen darf, ohne dabei rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Wer sich beispielsweise vor Ablauf einer solchen Wartefrist vom Unfallort entfernt, macht sich nicht strafbar, wenn er sich auf rechtfertigende oder entschuldigende Gründe berufen kann und die erforderlichen Feststellungen umgehend nachträglich ermöglicht. Allerdings sind solche anerkannten Gründe selten, und es gibt oft Missverständnisse hinsichtlich der strengen Anforderungen. Es reicht insbesondere in der Regel nicht aus, dass ein Unfallbeteiligter sein Kind von der Schule abholen musste und daher weggefahren ist. Im Gegensatz dazu kann jedoch die dringende Notwendigkeit, einen schwer verletzten Unfallbeteiligten ins Krankenhaus zu bringen, eine frühzeitige Abfahrt rechtfertigen. Auch die Suche nach Hilfe für Verletzte oder Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren für die Allgemeinheit, wie Trümmerteile, können als gerechtfertigt angesehen werden.

Und auch bei einer reinen Selbstschädigung entfällt der Tatbestand der Unfallflucht. Die Pflicht zum Feststellen und Warten sowie das damit verbundene Risiko der Unfallflucht bestehen nur in Fällen, in denen ein Schaden zulasten einer anderen Person entstanden ist. Dabei ist es ausreichend, wenn etwa ein Straßenschild, eine Laterne oder eine Leitplanke beschädigt wurde. Da in solchen Situationen in der Regel kein Geschädigter vor Ort anzutreffen ist, sollte unbedingt die Polizei verständigt werden.

© Alexander Fertig | KFZ-Sachverständigenbüro Fertig GmbH